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Berg im Bild # 21

Der Abstieg ist beim Bergsteigen nicht minder wichtig als der Aufstieg. Die Kräfte sind schon verbraucht und der Tag geht zur Neige. 
Kein Wunder, dass es auch immer wieder künstlerische Darstellungen vom Weg zurück ins Tal gibt. Diesmal sollen zwei Beispiele vorgestellt werden, die beide mehr als 100 Jahre alt sind.

Paul Hey (München 1867 - 1952 Gauting)

Paul Hey war ein Münchner Maler, Grafiker und Illustrator. Von 1886 bis 1893 studierte er an der Münchener Kunstakademie. Im Ersten Weltkrieg war er als Soldat und Kriegsmaler an der West- und an der Ostfront eingesetzt. Paul Hey entwarf für verschiedene Münchner Verleger unzählige Ansichtspostkarten, wie dies auch andere bekannte Grafiker seiner Zeit taten, so etwa Michael Zeno Diemer, Emil Nolde und Heinrich Kley. In seinen poetischen Grafiken illustrierte er bevorzugt Märchen und Volkslieder. Mit diesen Themen erzielte er noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine riesige Breitenwirkung. Moderne und Technik blieben aus seinem Werk jedoch ausgeblendet. Der Künstler verstarb 1952 im Alter von fast 85 Jahren in Gauting bei München, wo auch eine Straße nach ihm benannt ist.
Das hochformatige schmale Bild zeigt eine bunt zusammengesetzte Gruppe beim Abstieg. Vorne ein alter Träger mit Schnauzbart, die Pfeife im Mund. Dann folgen zwei feine Damen – es könnten Tochter und Mutter sein – auf dem Rücken ihres Pferdes, das jeweils von einem Begleiter geführt wird. Und links außen blickt ein modisch gekleideter Herr zu Fuß schmachtend zur eleganten jungen Dame empor. Deren Antwort fällt, dem Blick nach zu schließen, eher stolz und herablassend aus. Ganz wird sich die Geschichte dieses Ausfluges wohl nicht mehr ergründen lassen.
Was uns hier aber besonders interessiert, ist der Berg im Hintergrund. Es handelt sich um die Aiguille du Dru, 3754 m, im Montblanc-Massiv. Das eben beschriebene Bild wird im 1. Band (Die Westalpen) des alpinen Prachtwerkes „Aus den Alpen“ wiedergegeben. Diese zweibändige, etwa 1000 Seiten umfassende Publikation wurde 1896 von dem bedeutenden Zoologen und Alpinisten Robert von Lendenfeld (Graz 1858 – 1913 Prag) herausgegeben. Geschmückt wird sie von zahlreichen Abbildungen nach Originalzeichnungen von E.T. Compton, dem berühmten Alpenmaler, und einigen wenigen von Paul Hey. Somit war diese Zeichnung ganz offensichtlich ein Auftragswerk zur Illustration dieses Buches, die uns noch heute – nach 120 Jahren – einen Einblick in den Stil des frühen Bergsteigens der feinen Gesellschaft gibt.

Hans Wohlschlager

„Aiguille du Dru“ 
sign. „P. Hey“, Aquarell auf Papier (Grisaille), 25,5 x 13,5 cm




Theodor Zasche (Wien 1862 - 1922 Wien)
Theodor Zasche war ein Wiener Maler, Zeichner und Karikaturist. Er studierte an der Wiener Kunstgewerbeschule. Nach dem Tod seines Vaters führte er dessen Werkstätte für Porzellanmalerei fort. 1892 wurde er Mitglied des Wiener Künstlerhauses. Zasche war als Illustrator Mitarbeiter zahlreicher Zeitschriften – in Wien etwa für den „Floh“ und das „Wiener Witzblatt“, in München für die „Fliegenden Blätter“. Er war ein guter Kenner der Wiener Gesellschaft und verstand es, mit liebenswürdigem Humor zu karikieren, ohne zu verletzen. Besonders gut gelungen ist sein Plakat „Grand Hotel Erzherzog Johann – Semmering“ aus dem Jahr 1899, das schon im ausgereiften Jugendstil gestaltet ist. Der Künstler wurde 1922 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Auf dem Bild sieht man zwei BergsteigerInnen beim Abstieg. Beide sind elegant gekleidet – die Dame mit langem Rock und karierter Mütze, der Herr in Knickerbocker-Hose und Hut. Beide stützen sich ganz gekonnt auf eine Alpenstange bzw. einen langen Pickel. Der Weg ist steil und mit Felsblöcken übersät, doch der Schritt der beiden wirkt schwungvoll und sicher; der Herr mit Hut findet sogar Zeit in die Tiefe zu blicken. Im Hintergrund sind teilweise schneebedeckte Berge zu erkennen. Die beiden Tafeln im Vordergrund sind noch nicht beschriftet oder bemalt, dafür ist links unten die Aufschrift „September“ zu lesen. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Zeichnung um den Entwurf für ein Kalenderblatt, wofür gewisse Daten noch nicht geliefert waren. Es könnte sich aber auch um die Vorstellung der Herbstkollektion für eine Modezeitschrift handeln. Auch heute noch gibt es Bergsportkataloge ohne Zahl – doch wie sehr hat sich die Mode gewandelt!
Der Grand Dru wurde bereits 1878, der Petit Dru ein Jahr später erstbestiegen, beide im Schwierigkeitsgrad III und IV. Und doch regten nicht die damals erstaunlichen alpinen Leistungen zu einer künstlerischen Wiedergabe an, sondern die extravaganten Ausflüge der noblen Gesellschaft - und sei es zu Pferde. Die Maler mussten auch immer das Publikum vor Augen haben, das sich am Anblick ihrer Bilder erfreuen sollte. 

Hans Wohlschlager

„September – Steiler Abstieg im Gebirge“ 
sign. „Th. Zasche“, Aquarell auf Papier (Grisaille), 39,5 x 17,5 cm