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40 Jahre Lassingfall

Blog von: James Skone

40Jahre Lassingfall.
Die erste Eiskletterroute in Österreich.


Vor 40 Jahren wurde der erste winterlich vereiste Wasserfall in Österreich geklettert. Wahrscheinlich. Vielleicht war man schon früher in anderen Gebieten aktiv gewesen. Aber mir ist davon nichts bekannt. Streng gesehen könnte man sagen, dass das Gaisloch auf der Rax schon seit jeher im Winter mit Pickel und Steigeisen geklettert wurde. Das war aber noch im klassischen Stil mit Stufenschlagen und die Nutzung des Stahlseils (Das Gaisloch ist im Sommer ein versicherter Steig). Auch begingen wir im selben Jahr vor dem Lassingfall eine direkte Variante des alten Gaislochsteiges, Soft Eis. Erich Lackner übernahm hier bravoriös das scharfe Ende des Seils. Aber wir bewegten uns noch immer an einem „traditionellen“ Ort. Es war Zeit für die Ausübung einer neuen Idee des Klettern auch neue Spielplätze zu suchen und ihr somit Flügeln zu verleihen.


Lassingfall 1. Seillänge bei einer späteren, seilfreien Begehung. Im Bild Felix Kromer.

Schwer war es anfangs geeignetes Gelände zu finden. Der Laie wird meinen, dass es ja in Österreich überall genügend Wasserfälle gibt, worin liegt den da das Problem? Also richtige 
WasserFÄLLE, wo das Wasser nur so herunter rauscht, bilden selten Eis. Das Eis, das wir brauchten, entstand durch die Kombination von langen Kälteperioden und kleinen Rinnsalen. Das nächste Problem war, dass ich, in Wien lebend, mich am falschen Ende der Alpen befanden. In den Tauerntälern hätte es sicher Eis gegeben, aber das war für unsere ersten zaghaften Versuche zu weit weg.

Also wo? Hans Wohlschlager schlug vor den Lassingfall in den Ötschergräben einmal einen winterlichen Besuch abzustatten. Das war im Dezember 1977. Ich hielt anfangs nicht viel davon, wie gesagt: Lassing - fall, das klang nach richtigem Wasserfall, also wahrscheinlich war eh kein Eis zu erwarten. Von Wienerbruck aus wateten wir, Krista, Hans und ich im Schnee an der Abbruchkante der Gräben entlang. Es hatte in den Tagen davor viel geschneit. Ich war ahnungslos, konnte mich nicht orientieren. Wie sollten wir zu den Fällen gelangen? Zum Glück kannte sich Hans besser aus. Irgendwo ging es dann steil hinunter. Ich würde den Ort sicher nie wieder finden. In meinem Inneren begannen kleine Warnlämpchen aufzuleuchten. Viel Schnee, steil, da könnten wir schneller unten sein als vorgesehen - mit einer Lawine nämlich! Aber wir kamen wohlbehalten unten an. Ja, Hansi‘s Vermutungen hatten gestimmt, wir standen unterhalb des ersten Aufschwungs. Und der Wasserfall war vereist. Doch auch sehr verschneit. Die Eisbildung war, da noch früh im Jahr, eher oberflächlich und bestand aus Eisschilder und Eisröhren, wo darunter das Wasser rauschte. Aber die Kletterei war leicht, das Gelände nicht steil, so konnten wir stressfrei auch in dem matschigen Zeug klettern. Durch das dauernde Buddeln im Schnee, um zum Eis zu kommen und die gelegentliche Dusche von der, hinterm Eisvorhang sprudelnden, Erlauf, waren wir nach einiger Zeit ziemlich feucht und klamm. Es gab auch hier eine ungewöhnliche „alpine Gefahr“, die Gumpen, vom Wasserstrom erodierte, tiefe Felswannen. Mit Wasser gefüllt und mit einer dünnen Eisschicht bedeckt. Noch dazu bot sich das ebene Gelände dort als Standplatz an. Beim Canyoning im Sommer sicher ein Erlebnis, beim Eisklettern eine unfreiwillige Bademöglichkeit. Nach dem ersten Eisschild ging es dahin. Von Gumpe zu Gumpe. Dazwischen immer kurze Eisaufschwünge oder kleine, leicht kletterbare Eissäulen. Einige Seillängen gingen in diesem Stil dahin, bis sich das Gelände zurücklehnt. Wir waren nass, die Seile gefroren und wie aus Stahl. Es war aber eine nette, spielerische Erfahrung gewesen. Nicht wie so mancher Adrenalintrip bei späteren Aktionen. Erst später dämmerte es mir, dass wir wahrscheinlich damit den ersten Schritt in eine neue Richtung des Österreichischen Bergsteigens getan hatten. 

Jahre später war ich wieder am Einstieg des Lassingfalles gemeinsam mit Felix Kromer. Wir hatten gerade Kelvin Lethal auf der gegenüberliegenden Schluchtseite zum ersten Mal begangen. Die erste Eisroute, wo zwei Bohrhaken im Sommer gesetzte worden waren. Von Christian Enserer am Seil hängend im Duschbad. Diesmal war der Lassingfall solides Eis. Seilfrei stiegen wir hoch. Die Sonne schien, es war ein genussvolles Vergnügen nach der Schinderei im engen Spalt von Kelvin Lethal. 

Der Lassingfall war tatsächlich ein Meilenstein im Klettern. Ein kleiner zwar nur, ein Steinchen, aber er motivierte uns zu mehr. Danach wurden wir von Route zu Route sicherer und dreister. Ich beging in den folgenden Jahren über 40 neue Eisrouten in allen erdenklichen Gegenden Österreichs (und eine in der Schweiz) mit verschiedenen Partnern. Viele davon wurden von mir nicht benannt oder dokumentiert. Die Erstbegehung des Glaspalasts in Klammstein mit Erich Lackner und Felix Kromer mit einem Biwak im Eis wurde 1980 vom ORF gefilmt. Damals waren wir noch Freaks, kaum von der übrigen Klettererwelt wahrgenommen. Es sollte noch einmal zehn Jahre dauern, bis, mit der bis dahin schon stark verbesserten Eisausrüstung mehr Leute im Eis kletterten. Jetzt ist es laut der Tourismuswerbung „Trendsport“ geworden. 
 


Lassingfall 1.Seillänge. Foto von 1.Begehung.
Im Bild James Skone. Foto Hans Wohlschlager




James Skone
No Topo – Eigene Wege gehen.

James G. Skone setzt sich mit der Welt des Kletterns und Bergsteigens aus einer persönlichen kreativen und gestalterischen Perspektive auseinander. Im Blog reflektiert er in unkonventioneller Form über wie es einmal war und was ihn heute am Klettern interessiert. Einblicke in sein Skizzenbuch und Bildkollagen ergänzen die Ausführungen. 

James G. Skone war in den frühen 1970er Jahren Impulsgeber beim Freiklettern und erschloss die ersten Eiskletterrouten in Österreich. Auch bei der Entwicklung neuer Geräte für das Klettern war er Pionier. Er erfand die Vorläufer heutiger Hallenkletterwände, die so genannten „Skone Stones“, Der von ihm entworfene Kletterschuhe „Super Magic“ erhielt 1984 den Österreichischen Designstaatspreis. Vor kurzem wurde dieser in die Sammlung des Museums für angewandte Kunst, Wien aufgenommen. James war zuletzt Univ. Prof. für Designpädagogik an der Universität für angewandte Kunst Wien.

Er begann 1958 mit neun Jahren mit dem Bergsteigen bei der Gruppe „Unsere Jüngsten“ bei der Edelweiß. In späteren Jahren kehrte er mit dem Beitritt der „Wiener Lehrer“ - deren Mitglied er später war - zur Edelweiß wieder zu seinen alpinen Wurzeln zurück. 

www.no-to-po.com